Wie aus Ulrikes „Jahresbrief“ ersichtlich hat unser Buchhalter Ebrima Bojang Ende Januar 2015 unseren Kindergarten verlassen um in Holland mit seiner zweiten Frau näher zusammen zu leben. Wir bedauern seinen Weggang sehr, da er ein äußerst gewissenhafter, zuverlässiger und guter Buchhalter für den Kindergarten war. Nun heißt es einen gleichwertigen Ersatz zu finden, der die Belange des Kindergartens und die Hintergründe so mancher Entscheidung mit beeinflusste. Zum Glück konnte er uns noch den Dezemberbericht sowie den Jahresabschluss 2014 erstellen.
Hinreichend erwähnt und bedauert wurde der Umstand, dass durch die Ebola-Seuche leider unsere geplante Gemeinschaftsfahrt mit Bottrop nicht stattfinden konnte. Wir hoffen nun alle auf ein ebenso reges Interesse bei der Verschiebung auf das Jahr 2016. Da passt es sehr gut, dass uns rechtzeitig zum Zeitpunkt der geplanten Fahrt ein Interview von Gerald Block mit Klaus und Maria Bischof über die 35 Jahre seit der Gründung erreichte. Mit Zustimmung der Befragten drucken wir das Interview ungekürzt ab.
Ein kleines Paradies
35 Jahre Kindergarten „Wattenscheid“ in Gambia – Partner für Afrika e. V.
In diesem Jahr feiert der „Kindergarten Wattenscheid in Gambia – Partner für Afrika e. V.“ in Brikama (Gambia) sein 35. jähriges Bestehen.
1980 wurde der Verein als Privatinitiative mit dem Ziel ins Leben gerufen, gambischen Kindern die Möglichkeit eines Kindergartens mit integrierter Vorschule zu bieten. Darüber hinaus bezweckten die Initiatoren, dass durch den Erwerben von Elementarkenntnissen in Schreiben, Lesen und Rechnen beste Voraussetzungen für den Einzug ins staatliche Schulsystem Gambias geschaffen würden.
Anlässlich dieses Jubiläums sprach Gerald Block mit dem in Seeheim lebenden ehrenamtlichen Sozialrichter Klaus Bischoff und seiner Gattin Maria bezüglich ihres vorbildlichen Engagement für Kinder in Gambia.
Gerald Block: Liebe Frau Bischoff, lieber Herr Bischoff, wie sind Sie auf das Projekt e. V. Kindergarten „Wattenscheid“ aufmerksam geworden?
Klaus Bischoff: In meiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der IG Metall war ich ca. 40 Jahre für die Gewerkschaft tätig. Anfangs als Jugendsekretär in Darmstadt – und später dann für die Mittelgruppe Rhein-Hessen in Worms.
1971 eröffnete die IG Metall in Sprockhövel eine Bildungs- und Tagungsstätte, in der sich Funktionsträger aus ganz Deutschland trafen. Ende der 1980er Jahre kam ich von einer Sprockhövel-Tagung nachhause, während ich meiner Frau erzählte, dass Volkmar Heusel, Bezirkssekretär für Jugend Mörfelden-Walldorf, mir von einem interessanten Projekt in Gambia berichtet hatte. Im Laufe dieses Gespräches meinte Volkmar: Klaus, hättest du und deine Frau nicht Interesse, eine Patenschaft zu übernehmen? Gesagt, getan: Nachdem wir uns eingehend informiert hatten, erklärten wir 1988 unsere Patenschaft. Von da an leisteten wir jeweils einen monatlichen Beitrag von 25 DM (heute 13 Euro).
Gerald Block: Und was hat Sie überzeugt, diese Verpflichtung einzugehen?
Klaus Bischoff: Nach dem wir erkannt hatten, dass diese Einrichtung eine gute Sache darstellte, wollten wir natürlich helfen. Zudem fanden wir das Projekt – sprich „Kindergarten mit integrierter Vorschule“ wirklich spannend. Auch deshalb, weil es für die Entwicklung junger Menschen wichtig ist, dass sie unter fachlicher Aufsicht gemeinsam mit Gleichaltrigen spielen und lernen können.
Voller Neugier flogen wir 1988 das ersten Mal in das uns unbekannte Gambia, um unsere Schützlinge, die Menschen, das Land und den Kindergarten kennenzulernen.
Gerald Block: Wer hatte eigentlich den Verein ins Leben gerufen?
Klaus Bischoff: 1978 fiel dem Wattenscheider Ehepaar Ulrike und Günter Schmitter während einer Reise durch Gambia auf, dass es überhaupt keine Vorschulen und keine Kindergärten gab. Das veranlasste die beiden, mit der dortigen Regierung Kontakt aufzunehmen. Erstaunlicherweise wurden die Deutschen mit offenen Armen empfangen. Die Regierungsverantwortlichen meinten damals, „was kann Gambia für das Ehepaar Schmitter tun?“. Im gleichen Atemzug betonten die Vertreter jedoch, dass „Gambia keine Mittel hätte“. Wenn allerdings das Ehepaar eine solche Einrichtung aufbauen wolle, könne ihnen „Gambia“ ein 10.000 qm großes Grundstück zur Verfügung stellen.
1979 wurde auf eben diesem Stück Land das erste Gebäude für den Kindergarten „Wattenscheid“ eingeweiht.
Heute sind es mittlerweile 6 Häuser für über 450 Kinder.
Gerald Block: Wie hoch ist in etwa die Summe, die jährlich dem Kindergarten „Wattenscheid“ zur Verfügung steht?
Klaus Bischoff: Geschätzte 60 bis 70 Tausend Euro, die sich aus den Beiträgen der Paten und aus Spendengeldern zusammensetzen. Selbstverständlich werden die Mittel buchhalterisch erfasst und ordentlich abgerechnet. Würde man die Gemeinnützigkeit gefährden, würde das Finanzamtes die Sache schnell beenden. Das will selbstverständlich keiner. Jeder Spender respektive Pate bekommt ordnungsgemäß eine Spendenbescheinigung.
Gerald Block: Und wie werden die Spendengelder letztendlich überwacht und kontrolliert?
Klaus Bischoff: Wir reden hier von einem gemeinnützigen Verein, der nach deutschem Recht geführt wird. Diesbezüglich handelt da ein verantwortungsbewusster Vorstand, der gemäß Satzung von den Paten gewählt wurde, und der neben dem Rechenschaftsbericht auch jährlich über einen Rundbrief alle Paten dahingehend informiert, welche Geld- und Sachmittel zusammenkamen – und wie sie verwendet wurden.
Gerald Block: Wohin fließt nun der größte Teil der Paten- und Spendengelder?
Klaus Bischoff: Zuallererst gibt es einen festen Posten, der sich aus den Personalkosten für die 23 Beschäftigten im Kindergarten zusammensetzt. Des Weiteren entstehen natürlich Infrastrukturkosten für das Kindergartengelände, einschließlich der Dentalstation. Hinzu kommen Kosten für Material- und Lehrmaterial für über 450 Kinder, sowie Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen anderer Einrichtungen. Last, not least wird für die tägliche Schulspeisung der Kinder gesorgt.
Aber auch für unvorhersehbare Geschehnisse gibt es Mittel. Wenn zum Beispiel aufgrund eines Sturmes Teile des Daches eines der Gebäude zu Bruch ging, werden die Mittel für die Beseitigung des Schadens haargenau aufgelistet und allen Paten transparent gemacht.
Gerald Block: Gibt es denn, außer den dortigen Beschäftigten, auch ehrenamtliche Helfer, die von Deutschland aus in Brikama tätig werden?
Klaus Bischoff: Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades (vorwiegend in Nordrhein-Westfalen) jenes Kindergarten ist die Bildungseinrichtung in Gambia interessant für Praktikanten. Oft kommen junge Frauen, die im Rahmen eines Pädagogik-Studiums ein Praktikum ableisteten. Mittlerweile gilt diese gambische Einrichtung (Kindergarten Wattenscheid) in Deutschland als anerkannte Bildungseinrichtung.
Gerald Block: Wie erhalten die Einheimischen Familien Kenntnis von der Einrichtung? Und wie erreichen die Kinder täglich ihre Kindergartenstätte?
Klaus Bischoff: Das Zauberwort heißt „Mundpropaganda“. Weil es sich im Laufe der Zeit herumgesprochen hat, dass in dieser Bildungseinrichtung die 4- bis 7-Jährigen gut aufgehoben sind – und sie hervorragend betreut werden. Somit erhalten die Schützlinge eine solide Grundlage für den späteren Eintritt in die staatliche Schule. Allerdings besteht die Schulpflicht in Gambia gerade mal 6 Jahre. In den Compounds (den Wohnsiedlungen der Umgebung) kennen und schätzen sie den Kindergarten „Wattenscheid“.
Interessant ist, wie morgens die Kinder den Kindergarten erreichen. Dabei werden sie mit großen Allradlastern, die ursprünglich für den Transport der Arbeiter gedacht waren, sozusagen „vorbeigebracht“.
Gerald Block: Herr Bischoff, Sie hatten bei einer Ihrer Gambia-Reisen mal eine wirklich interessante Begegnung mit einem hohen Vertreter der Politik. Was haben Sie da erlebt?
Klaus Bischoff: In der Tat hatte ich bei einem meiner Besuche die Gelegenheit, den gambischen Bildungsminister in seinem Amtssitz zu besuchen. Von seiner Leibgarde gut bewacht stand mir der Staatsmann in Gestalt eines über Zweimeter großen Mannes gegenüber, der mir freundlich die Hand reichte, während er bemerkte: „Mister Bischoff, ich kann ihnen leider keine finanziellen Mittel geben, aber das Volk von Gambia bedankt sich durch meine Person bei ihnen“. Als Zeichen seines Dankes überreichte er mir eine ca. 10 Zentimeter große Gambia-Flagge, die sich aus den Farben: Rot, Blau und Grün zusammensetzt.
Gerald Block: Gab es jemals bürokratische Vorgaben von Seiten der Behörden?
Klaus Bischoff: Nicht im Geringsten. Uns sind weder juristische noch irgendwelche bildungspolitische Vorschriften bekannt. Ich persönlich glaube, dass die gambische Regierung froh ist, eine solch vorbildliche Einrichtung in ihrem Land zu haben. Darüber hinaus existieren inzwischen in anderen Städten Gambias 6 bis 7 (so auch das „Kinderdorf Bottrop in Gambia e. V.“) weitere deutsche Nachahmer-Einrichtungen, die ebenso frei verwaltet werden wie der Kindergarten „Wattenscheid“ in Brikama.
Nach wie vor dürfen wir nicht vergessen, dass es in Gambia keine staatlichen Vorschulen respektive Kindergärten gibt – sondern lediglich (wie schon erwähnt) eine 6 jährige Schulpflicht.
Gerald Block: Wie oft haben Sie bis dato Ihre Schützlinge in Gambia besucht?
Maria Bischoff: Bis zum heutigen Tag waren das genau 12 Besuche. Und zwar: 1988, 1996, 2000, 2002, 2003, 2006, 2007, 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013.
Klaus Bischoff: Und wenn wir mit einer Delegation nach Gambia reisten, waren da alle Schützlinge und ein großer Teil ihrer Eltern Vorort. Aus gegebenen Anlass fand dort dann regelmäßig ein Begegnungsfest statt, an dem alle mit großer Freude teilgenommen hatten. Während der Festlichkeit stolzierten die Kinder fröhlich durchs Dorf, während sie später auf dem Kindergartengelände zeigten, was sie im Laufe des Jahres gelernt hatten. Überdies fanden kleine Schauspieleinlagen, Gesänge und allerlei interessante Veranstaltungen statt.
Gerald Block: 2014 fiel sozusagen Ihre geplante Gambia-Reise mit einer großen Delegation ins Wasser. Warum?
Klaus Bischoff: Leider hat uns 2014 der Ausbruch von Ebola in Westafrika gezwungen, den bereits gebuchten Gambia-Flug, an dem immerhin 40 Personen (aus Wattenscheid, Bottrop und Seeheim) teilnehmen wollten, abzusagen. Allerdings hatten wir gemeinsam beschlossen, die Reise zu verschieben.
Anlässlich des 35-jährigen Bestehens des Kindergarten „Wattenscheid“ und des 30-jährigen Bestehens des Kinderdorfs Bottrop planten wir als Geschenk, jedem unserer Schützlinge ein Paar neue Schuhe und eine neue Schuluniform zu überreichen. Darüber hinaus sollte jeder der festangestellten Mitarbeiter ein 50 Kilogramm Sack Reis erhalten.
Wir versuchen in diesem Jahr, sollte es zur Entwarnung kommen, die Reise nach der Regenzeit anzutreten.
Gerald Block: Zum Schluss: Was empfinden Sie, wenn Sie Ihren Schützlingen in Brikama begegnen?
Klaus Bischoff: Unserer größte Freude ist, dass sich die Einrichtung mit den Jahren immer weiterentwickelt hat – und dass sich somit unsere Bemühungen immer gelohnt haben. Es ist schön zu sehen, wie wohl und glücklich sich die Kinder fühlen. Diese Freude empfinden wir jedes Mal, wenn wir das Treiben auf dem Kindergarten-Campus hautnah erleben. Es ist immer wieder ein tolles und gutes Gefühl, gambischen Kindern zu helfen.
Maria Bischoff: Vor allen Dingen spiele und beschäftige ich mich sehr gern mit den Kleinen: Das sind für mich die schönsten Momente.
Gerald Block: Liebe Frau Bischoff, lieber Herr Bischoff, vielen Dank für das Gespräch.
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