Durch die „Go out“ Veranstaltung an der EvH Bochum wurde mir die Möglichkeit nähergebracht, mein 70 tägiges Praktikum auch im Ausland zu absolvieren. Schon Jahre zuvor wollte ich für eine Weile ins Ausland gehen und jetzt sah ich meine Chance, dies in Angriff zu nehmen. Bei der Suche nach einem geeigneten Verein wies mich eine Bekannte auf den Kindergarten Wattenscheid in Gambia hin. Sofort nahm ich dort Kontakt auf und eine Woche später stand fest, dass ich in Gambia mein Praktikum absolvieren werde.
Dann standen viele Vorbereitungen an: Impfungen, Reisepass beantragen, Flüge buchen und das ein oder andere einkaufen (z.B. Moskitonetz, Mückenspray). Das Visum musste ich zum Glück erst in Gambia selbst nach 28 Tagen beantragen, was für weitere drei Monate ca. 40 Euro gekostet hat.
Am 05. März war es dann so weit: Morgens früh flog ich vom Flughafen Brüssel nach Banjul. Ich war super aufgeregt, freute mich aber auch gleichzeitig, das Abenteuer anzutreten.
In Afrika heil angekommen, empfing mich Hawa, die Kindergartenleiterin, ganz herzlich und wir fuhren zum Gästehaus, wo ich die nächsten vier Monate wohnte. Der extreme Temperaturunterschied in Deutschland von 10 Grad auf 26 Grad Celsius in Westafrika machte mir am Anfang zu schaffen. Die neue Umgebung war für mich in vielerlei Hinsicht ein Kulturschock. Die Tiere liefen frei auf den Straßen umher, die Leute rannten kreuz und quer über die Straße, die Autos fuhren entgegen der Richtung und alles war noch ziemlich fremd. Zunächst richtete ich mein neues Zuhause ein und ließ die ersten Eindrücke auf mich wirken. Die erste Nacht alleine in Afrika fiel dann recht schlaflos aus.
Am ersten Tag im Kindergarten vor den Klassenräumen kamen Kinder angerannt, fassten mich an und wollten meine Hand nehmen, ich wurde herzlich begrüßt und in Empfang genommen. Ich lernte die Lehrer und Angestellten kennen; alle kamen sehr offen und freundlich auf mich zu, was den Anfang für mich einfacher machte. In den ersten zwei Wochen hospitierte und half ich in der 2. Klasse und war dann die weiteren 12 Wochen in Klasse 1.
Ein klassischer Kindergartentag sah folgendermaßen aus:
Der Unterricht begann um 8:30 Uhr und endete um 13:30 Uhr mit Ausnahme des Freitags, da wurde der Kindergarten schon um 12 Uhr geschlossen. Montag und Freitag fand jeweils eine Hauptversammlung vor dem Unterricht statt. Dort wurde zusammen gebetet und über die neusten Informationen in Kenntnis gesetzt. Weiterhin wurden die Kinder darauf hingewiesen, dass sie ihre Haare entweder flechten oder rasieren, sowie mit einer sauberen und ordentlichen Schuluniform zum Kindergarten erscheinen sollen. Vor oder nach der ersten Spielpause bekamen die Kinder jeden Tag eine warme Mahlzeit, die meist aus Reis und Gemüse bestand. Danach putzen die Kinder draußen, vor den jeweiligen Klassenräumen, gemeinsam gründlich ihre Zähne.
Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem mit den Kindern gemeinsam im Unterricht zu singen, zu tanzen und ihnen neues Wissen, wie z.B. die verschiedenen Blätterarten, beizubringen. Das Hauptziel des Kindergartens ist es, den Kindern Englisch beizubringen, um die späteren Bildungschancen zu erhöhen. Die kleineren Kinder im Alter von 3 bis 4 Jahren werden eher spielerisch an Themen herangeführt, die älteren Kinder (5 bis 6 Jahren) lernen vereinzelt schon an der Tafel schreiben und rechnen.
Am meisten liebten alle Kinder es, draußen an den Spielgeräten herumzuklettern und Gruppenspiele sowie Klatschspiele zu spielen. Ich merkte schnell, dass der Erziehungsstil sowie die Herangehensweise in Gambia andere sind. Dort sitzen die Kinder verschult an Tischen und werden von der Lehrerin frontal unterrichtet. Ich merkte in der Zusammenarbeit mit den Kindern, wie erwachsen und selbstbewusst sie sich für ihr Alter verhielten und sie wuchsen mir alle schnell ans Herz.
In meiner Freizeit sang ich begeistert in einem Kirchenchor drei bis vier mal in der Woche, welchen mir Mariama, eine Mitarbeiterin vom Kindergarten, zeigte. Im Grunde wollte ich eigentlich nur die katholische Kirche in Brikama kennenlernen, stand dann überraschend vor 20 jungen Leuten, die sich als Chor vorstellten. Zurückblickend bin ich sehr froh, dort eine Gemeinschaft gefunden zu haben und fühlte mich von der Kirchengemeinde jeder Zeit willkommen geheißen. Es gab meinem Alltag auch eine gewisse Struktur, die mir gut tat.
Darüber hinaus unternahm ich viel mit meinen Freunden, z.B. fuhren wir zum „Jungle Beach“ oder zur Hauptstadt Banjul, wo ich neue Einblicke in das afrikanische Lebensumfeld gewann.
Es kam öfter zu Stromausfällen und mehrere Stunden floss kein Leitungswasser; ich hatte mich aber mit drei vollen Wassereimern gut vorbereitet und so kam ich gut klar. Ich lernte dazu, indem ich kreativ wurde und meine shampoonierten Haare über dem Wassereimer ausspülte.
In Gambia lernte ich auch geduldig zu werden: Die Einheimischen neigen dazu, nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zu erscheinen, sondern man kann schon mal 3 bis 4 Stunden warten.
„Die Europäer haben die Zeit, die Afrikaner die Ruhe.“ afrikanisches Sprichwort.
Rückblickend kann ich zu den vier intensiven Monaten sagen, dass ich unfassbar viel für mich und mein weiteres Leben mitgenommen habe und es eine bereichernde Erfahrung war. Die Menschen, die ich dort kennengelernt habe, haben mir gezeigt, mit welcher Positivität man dem Leben begegnen kann.
Egal wo ich hin kam, wurde ich freundlich empfangen und willkommen geheißen. Ich lernte den starken Zusammenhalt der Afrikaner kennen und das Arbeitsklima schätzen.
Sicherlich war der Aufenthalt in Gambia nicht mein letzter!
Ich bedanke mich herzlich an dieser Stelle für die Unterstützung und Ermöglichung des Vereins. Weiterhin danke ich allen Einheimischen, die mich die vier Monate lang willkommen geheißen und mich wie in eine Familie aufgenommen haben.
In diesem Jahr will ich zum 40sten Jubiläum meine afrikanischen Freunde besuchen und freue mich schon auf das Wiedersehen!
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